Ein leichter Windhauch geht durch die Blätter eines Baumes und lässt sie kaum hörbar rascheln. Doch das ist schon laut genug, damit Bella den Kopf hebt und die Ohren spitzt. Eigentlich eine alltägliche Situation, die bestimmt jeder schon einmal mit seinem Pferd erlebt hat und doch bin ich mal wieder beeindruckt, wie unglaublich fein und sensibel diese Tiere auf ihre Umwelt reagieren. Während ich beim Weiterreiten so darüber nachdenke, kommt bei mir eine Frage auf: Wie kann es sein, dass Pferde selbst die kleinste Bewegung und die leisesten Geräusche wahrnehmen, es aber vielen Reitern einfach nicht gelingt mit kleinen, feinen Hilfen eine Reaktion ihrer Pferde zu erzielen.
Ich selbst bin vor wenigen Wochen in einer Reitstunde Pferde geritten, die sich nur durch extremes Treiben zum Vorwärtsgehen bewegen ließen. Ich hatte das Gefühl auf einem stumpfen Holzklotz und nicht auf einem sensiblen, feinfühligen Lebewesen zu sitzen. Ich finde so etwas schlimm und ich finde es traurig zu sehen, dass dies keine Einzelfälle sind. Ein Großteil der Pferde in den entsprechenden Stunden wurden mit Sporen und Gerten geritten und waren dennoch kaum zum vernünftigen Vorwärtsgehen geschweige denn zum Mitarbeiten zu bewegen. Wer jetzt meint, das sei ein typisches Schulpferdeproblem, liegt falsch. Ich schätze mal, dass etwa die Hälfte der besagten Pferde Privatpferde waren. Bei den Pferden die vorwärtsliefen, waren dann spätestens beim Parieren oft überdeutliche Zügelhilfen nötig.
Bitte versteht mich nicht falsch. Bei dieser Schilderung möchte ich nicht darauf hinaus, dass Pferde mit Sporen gepiesackt, mit Gerten geschlagen und durch Herumgezerre im Maul gequält werden. Ich möchte der Frage auf den Grund gehen, wie es sein kann, dass diese feinfühligen Wesen dermaßen abstumpfen, dass es solcher Praktiken überhaupt erst bedarf um zu ihnen durchzudringen.
Wie so oft im Umgang mit Pferden, sind die Antwort auf die Frage und die Lösung des Problems eigentlich ziemlich simpel:
Die Ursache ist (mal wieder) der Mensch - wir wollen einfach häufig zu schnell zu viel erreichen.
Zeit ist der Schlüssel
Zeit ist bei feiner Hilfengebung in zweierlei Hinsicht enorm wichtig: Zum einen braucht es Zeit, bis Mensch und Pferd als Team zusammenwachsen und durch stetige Übung ihre Kommunikation immer weiter verfeinern können. Zum anderen müssen wir bei jeder Übung unseren Pferden die Zeit geben, über diese nachzudenken und zu verstehen, was wir von ihnen möchten.
Der zweite Punkt lässt sich ganz gut an dem Vier-Phasen Prinzip von Parelli erklären. Die erste Phase ist ein leichter Impuls, quasi die feinste Hilfe überhaupt. Reagiert das Pferd nicht, wird die Hilfe auf Phase zwei verstärkt usw. bis hin zu Phase vier, der stärksten Phase. Nach den Anweisungen von Parelli soll eine Phase immer nach drei Sekunden Wertezeit erhöht werden. Gerade am Anfang, wenn das Pferd noch gar nicht genau weiß was es eigentlich tun soll, finde ich diese drei Sekunden allerdings sehr kurz. Außerdem reagieren manche Pferde einfach langsamer als andere. Gib Deinem Pferd lieber etwas mehr Zeit um gerade über eine neue Aufgabe nachzudenken und finde nach und nach heraus, ob es bei bekannten Übungen eher mehr oder weniger Zeit benötigt um auf Deine Hilfen zu reagieren. Es kann eine Zeit lang dauern, bis Du das richtige Timing findest, aber Dein Pferd wird es Dir danken.
Sei leicht wie der Wind
Ein weiterer schwerer Fehler ist es, Hilfen von vorne herein mit viel zu hoher Intensität zu geben. Beginne Deine Hilfengebung mit einer ganz leichten Berührung. Dein Pferd registriert sogar eine kleine Fliege auf dem Fell - es reicht also, wenn Deine Hilfe so klein und leicht wie eine Fliege ist. Fängst Du hingegen schon mit recht deutlichen Hilfen an, hat Dein Pferd überhaupt keine Chance zu lernen auf feinere Hilfen zu reagieren. Achte einfach mal bewusst darauf, wie viel Kraft Du für die Hilfengebung aufwenden muss und überlege Dir, ob nicht vielleicht auch die Hälfte oder noch weniger ausreichen würde. Denk daran, es genügt oft schon ein Windhauch um eine Reaktion Deines Pferdes hervor zu rufen.
Wie leicht Hilfengebung tatsächlich funktionieren kann, ist mir am Anfang von Bellas Ausbildung mehr oder weniger zufällig bei einem Ausritt aufgefallen. Wir waren das erste Mal mit Knotenhalfter im Gelände unterwegs, weshalb ich verstärkt darauf geachtet habe, wie sie auf meine Hilfen reagiert und vom Ergebnis war ich selbst überrascht. Den ganzen zwei Stunden langen Ausritt, habe ich nicht ein einziges Mal Druck ausüben oder Hilfen über Phase eins hinaus geben müssen. Sie hat ganz fein auf leichte Gewichtsverlagerungen, Schenkelhilfen und das feine Anlegen des äußeren Zügels reagiert und das trotz ihrer noch nicht sonderlich weit fortgeschrittenen Ausbildung.
Natürlich klappt es auch bei uns bei Weitem nicht immer so toll wie an diesem einen Tag. Aber solche Erlebnisse machen mich unglaublich stolz und sie zeigen mir, was mit viel Übung möglich ist und spornen mich an immer weiter an mir und unserer Zusammenarbeit zu arbeiten.