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Denn sie sind nicht wie wir

  • von Svenja Stuck
  • 21 Dez., 2018

Wenn wir Pferde vermenschlichen

Pferd und Mensch
Wir können einfach nicht aus unserer Haut – so sehr wir auch versuchen, uns in unsere Pferde hineinzuversetzen und uns ihnen anzupassen, wir sind und bleiben Menschen. Wir denken wie Menschen, wir fühlen wie Menschen, wir handeln wie Menschen. Kein Wunder also, dass es auch im Umgang mit unseren Pferden schon mal passiert, dass wir diese vermenschlichen. Die Folgen hiervon sind mal mehr mal weniger gravierend und manchmal auch lustig.

Ich denke, jeder Reiter möchte, dass sein Pferd glücklich ist und dass es ihm gut geht. Leider können uns unsere Vierbeiner jedoch, für uns Sprache verwöhnten Menschen, nur in sehr geringem Umfang mitteilen, was sie möchten und brauchen. Ein Pferd kann uns zum Beispiel zeigen, dass es Hunger hat, aber ob das Futter was wir ihm anbieten genau zu seinen Bedürfnissen passt, kann es uns nicht sagen. Da ist es nicht verwunderlich, dass wir Menschen schnell mal unsere eigenen Schlüsse ziehen und unsere Vorlieben und Bedürfnisse auf unsere Pferde übertragen. Doch was in manchen Fällen einfach nur ein bisschen kitschig ist, kann in anderen Fällen tatsächlich ernste Folgen haben.
Eindecken
Wir Menschen sind die reinsten Frostbeulen, verglichen mit den meisten Tieren. Kaum ist der Sommer vorbei und die Temperaturen sinken, fangen wir an zu frieren. Unser Mittel um uns gegen kalte Temperaturen und nasses Wetter zu schützen, ist warme und wetterfeste Kleidung.
Doch nur, weil wir frieren, heißt das noch lange nicht, dass auch allen anderen Lebewesen in unserer Nähe ebenfalls kalt ist. Dennoch nehmen viele Menschen dies an. So werden die Pferde dann schon ab Mitte September in Decken gepackt um die armen Lieblinge vor Wind und Wetter zu schützen. Natürlich gibt es Pferde, bei denen es tatsächlich nötig ist, sie einzudecken. Hierbei handelt es sich jedoch um alte und kranke Pferde oder Pferde, die rassebedingt zu wenig Winterfell haben. Bei gesunden, fitten Pferden, sind Decken in der Regel überflüssig. Ganz im Gegenteil, Eindecken kann sich tatsächlich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit eines Pferdes auswirken. Anders als wir, haben Pferde eine sehr geringe Wohlfühltemperatur, die, ganz grob definiert, irgendwo im Bereich zwischen 0 und 10°C liegt. Zudem haben sie eine hervorragende Thermoregulation und ein perfekt an ihre Bedürfnisse angepasstes Winterfell, die zusammen dafür sorgen, dass unsere Pferde auch bei eisigen Temperaturen nicht frieren. Auch Nässe wird für ein gesundes Pferd mit gutem (Winter-)Fell nicht zum Problem.
Pferden die eingedeckt werden, ist es, gerade zu Beginn der kalten Jahreszeit, unter ihren Decken tatsächlich zu warm. So kommt es auch, dass Decken das Wachstum des Winterfells und die Thermoregulation negativ beeinflussen. Weitere Infos und genauere Details zu diesem Thema, findest Du in meinem Artikel zum Winterfell.
Boxenhaltung / Stallhaltung
Boxenhaltung ist sehr praktisch für uns Menschen. Und auch, wenn ich dieses Argument gerade an Tagen, an denen Bella dreckig wie eine Wildsau von der Koppel kommt, irgendwie ein ganz kleines bisschen nachvollziehen kann, ist dies die schlechteste Argumentation die mir in der gesamten Pferdewelt bisher untergekommen ist. Neben diesem Argument, führen viele Stall-Befürworter noch an, dass die Pferde vor allem im Winter im Stall ja schön warm, trocken und sicher stehen. Die armen Offenstallpferde müssen doch tatsächlich bei Wind und Wetter draußen stehen – und viele der bemitleidenswerten Tiere auch noch ohne Decke!
Warum es aber für Pferde nicht nötig ist, sie ins Warme und Trockene zu stellen, habe ich im vorherigen Punkt bereits erklärt. Auch der Sicherheitsaspekt zählt für mich nicht, wenn nicht gerade ein Pferderipper in der Gegend unterwegs ist. Denn mal ehrlich: So groß ist die Population an Löwen und Wölfen jetzt nun wirklich nicht in unseren Gefilden. Und auch in der freien Wildbahn habe ich noch kein Pferd gesehen, das sich vor Gefahren in Höhlen flüchtet und dort versteckt.
Das Leben in einer kleinen Einzelbox ist für ein Bewegungs- und Herdentier wie das Pferd weder artgerecht, noch gesund. Es kann weder seine sozialen Bedürfnisse ausleben, noch seinem natürlichen Bewegungsdrang folgen. Psychische Störungen, wie Weben und Koppen, sowie Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Verdauungssystems können die Folge sein. Der Körper unserer Pferde ist auf permanente, langsame Bewegung ausgelegt. Steht ein Pferd nur rum, wie es in einer Box der Fall ist, ist dies eine enorme Belastung für die Gelenke, die Bender und die Sehnen. Und auch der Verdauungsapparat ist auf die Bewegung angewiesen.
Mehr zum Thema Haltungsformen
Hohe Futterposition
Für uns Menschen ist es bequem zum Essen an einem erhöhten Tisch zu sitzen oder an einem Stehtisch beisammen zu stehen. Nur sehr selten setzen wir uns zum Essen auf den Boden. Das hat oft etwas Dreckiges und Unordentliches. Um den Pferden das Fressen ebenfalls entsprechend „bequem“ zu machen, werden in vielen Ställen die Futtertröge auf Nasenhöhe und die Heuraufen oft sogar noch höher angebracht.
Betrachten wir jedoch, wie Pferde in der freien Natur fressen, fällt folgendes auf: Sie fressen mit gesenktem Kopf und bewegen sich dabei dauerhaft in langsamem Schritt vorwärts. Selbst Sträucher und Kräuter wachsen selten so hoch, dass die Pferde mit gerader oder gar erhöhter Halsposition fressen. Genau auf diese Art der Futteraufnahme, ist der gesamte Körper eines Pferdes ausgelegt. Wie oben bereits erwähnt, brauchen sowohl das Verdauungssystem, als auch der Bewegungsapparat eines Pferdes, dieses ständige langsame Fortbewegen um optimal zu funktionieren. Doch nicht nur das. Frisst ein Pferd dauerhaft mit erhöhtem oder sogar nach oben gestrecktem Kopf, wirkt sich dies negativ auf die Wirbelsäule, sowie Hals- und Rückenmuskulatur aus. Anstatt sich vorwärts-abwärts zu strecken, wird die Wirbelsäule in dieser falschen Position zusammengestaucht und die Muskulatur des Pferdes falsch belastet. Rückenprobleme und ein ausgeprägter Unterhals sind vorprogrammiert. Außerdem hat erhöhte Fressposition zudem eine falsche Abnutzung der Zähne zur Folge. Beim Fressen von Bodenhöhe wird der Unterkiefer vorgeschoben, die Zähne passen gut aufeinander und nutzen sich gleichmäßig ab. Beim Fressen mit erhöhtem Kopf, tritt dieser Effekt nicht ein. Die Zähne sitzen folglich beim Kauen nicht richtig aufeinander, sie nutzen sich unregelmäßig ab und Haken entstehen. Außerdem kann dies zu unangenehmen Verspannungen in der Kiefermuskulatur führen, die sich im schlimmsten Fall negativ auf die gesamte Muskulatur eines Pferdes auswirken und zu weiteren Verspannungen führen kann.
Süßes Futter
Wir lieben Süßes - Egal ob der Eisbecher im Sommer, leckeres süßes Obst oder der Schokoriegel zwischendurch. Süßes ist lecker und macht uns glücklich. So sehen das auch unsere Pferde. Sie lieben süßes Futter und zeigen das oft sehr deutlich.
Kein Wunder also, dass es uns Spaß macht, ihnen mit der einen oder andere Leckerei eine Freude zu machen. Und auch das neue Früchtemüsli duftet so lecker fruchtig-süß. Das kann doch nur was Gutes sein. Doch auch, wenn es unseren Pferden sehr gut schmeckt, Zucker ist absolut nicht gesund für sie.
Von Natur aus fressen Pferde tatsächlich weniger süß, wohl vor allem, da es in der freien Wildbahn vergleichsweise wenig süße Nahrung zu finden gibt. Ihre Geschmacksknospen sind eher auf bittere Nahrung eingestellt. Viele Gesunde Pflanzen und Kräuter haben einen bitteren Geschmack.
Zucker ist sehr energiereich, das Verdauungssystem des Pferdes ist jedoch auf Nahrung mit einem hohen Faseranteil und wenig Energie ausgelegt. Zwischendurch mal eine süße Banane oder ein zuckerhaltiges Leckerlie ist kein Drama. Doch kann eine regelmäßige zu hohe Zucker-/Energiezufuhr den Stoffwechsel eines Pferdes nachhaltig beeinflussen und schädigen. Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten bis hin zu Rehe und EMS können die Folgen sein. Daher gilt bei Pferden noch viel mehr als bei Menschen: Zucker in Maßen und nicht in Massen.
Übrigens zählen auch Fructose und Co. Zu Zucker. Daher auch Vorsicht bei übermäßiger Fütterung von Obst.
Gewichtsprobleme bei Pferden
1000 Schabracken und viiiieeeel Glitzer
„Guck mal Schatz, ich hab‘ dem Pferd eine neue Schabracke gekauft. In so einem tollen blau, das wird ihm super stehen. Oh, da freut er sich bestimmt!“ – Die wohl größte Lüge neben „ich bin mal kurz am Stall“, die uns Reitern regelmäßig über die Lippen kommt. Solange die Ausrüstung passt und nicht weh tut, ist es dem Pferd reichlich egal, mit was es geritten wird. Da kann die Schabracke rot, blau oder auch rosa-grün-kariert sein. Auch der Glitzer-Stirnriemen und das hübsche neue Halfter mit Pferdchenmuster interessiert sie herzlich wenig. „Guck mal, wie hübsch Du aussiehst!“ – Stimmt! Glücklich macht das aber nur die Reiter(in).
So lange es dem Pferd nicht schadet, können wir (ja, mich eingeschlossen :P) gerne weiter unsere Schabracken- und Halftersucht ausleben.
Wir reden mit dem Pferd
Buck Branaman redet nicht mit seinem Pferd, weil er nicht möchte, dass andere Reiter mit ihm kommunizieren können. Damit ist er aber wohl eine große Ausnahme in der Reiterwelt. Ich kenne kaum einen Reiter, der nicht mit seinem Pferd spricht. Neben Stimmkommandos, erzählen wir unseren Vierbeinern auch gerne mal von unserem Tag, teilen unsere Sorgen und Geheimnisse mit ihnen und erklären ihnen ausführlich, warum es gar nicht so schlimm ist, durch die große Pfütze zu gehen.
Uns mag es ja sehr gut tun, mit unseren Pferden zu reden, doch leider – ich muss das jetzt so ehrlich sagen – verstehen sie uns nicht. Ja, sie verstehen anhand unserer Stimmlage und Körpersprache, was wir so in etwa meinen, ob wir fröhlich oder traurig sind, doch was genau wir ihnen erzählen, wissen sie nicht.
Und ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, ob sie das anderenfalls überhaupt sonderlich interessieren würde.
Stell Dich nicht so an!
Ein Flatterband, an dem das Pferd nicht vorbei gehen möchte, ein Hufwegziehen beim Schmied oder ein Schnappen beim Nachgurten und schon fällt ein Satz, den wir sehr oft im Umgang mit Pferden zu hören bekommen: „Jetzt stell Dich doch mal nicht so an!“.
Eine Aussage, die unter Menschen oft ihre Berechtigung hat und, stellt sich eine Person tatsächlich nur an, auch gerne Wirkung zeigt.
Beim Pferd hingegen, macht sie wenig Sinn. Anders als bei uns Menschen, kennen Pferde keine Anstellerei. Zeigt ein Pferd Angst, hat es auch wirklich Angst. Versteht es eine Aufgabe nicht, versteht es diese wirklich nicht. Es versucht nicht uns etwas vorzutäuschen um einer Aufgabe zu entgehen.
Hier kommen wir mit Ermahnungen und harten Worten nur selten weiter und wenn, stärkt dies keinesfalls das Vertrauen unseres Pferdes in uns. Geduld, Verständnis und ein freundliches, „Komm, ich zeig Dir, dass das nichts Schlimmes ist“ oder „Ich erkläre Dir die Aufgabe einfach noch mal ganz in Ruhe von Vorne“, sind hier eher der richtige Weg zum Ziel.
So beruhigst Du übrigens ein nervöses Pferd.
Wann und wie es manchmal aber doch ganz gut sein kann, unsere lieben Vierbeiner ein wenig zu vermenschlichen, erfährst Du bei Heike von vielgefuehl.de.
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Eigentlich wollte ich diesen Artikel erst viel später schreiben, aber da wir am Wochenende seit Langem noch mal eine Situation hatten, die ich hier perfekt als Beispiel anführen lässt, ziehe ich ihn einfach mal vor :)

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