Beim Pferdetraining arbeite ich sowohl mit positiver, als auch mit negativer Verstärkung. Wo liegt der Unterschied und warum ist negativ in diesem Zusammenhang nichts Schlechtes? Alle Infos hierzu findest Du im Artikel.
Positive VerstärkungDas Wort „positiv“ beschreibt etwas Gutes, etwas Tolle. Es ist ein schönes Wort, mit dem wir tolle Sachen verbinden. Außerdem hat „positiv“ auch noch eine weitere Bedeutung: im mathematischen Sinne sagt der Begriff aus, dass etwas über Null liegt bzw. etwas hinzugefügt wird. Etwas positives ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein Mehrwert.
So ist es auch im Pferdetraining. Hier bekommt das Pferd eine spürbare positive Reaktion vom Menschen, wenn es etwas richtigmacht. Dies kann zum Beispiel ein Leckerli sein, eine Fresspause oder ein Lob. Wichtig ist, dass das Pferd auf das, was es richtigmacht, ein positives Feedback vom Menschen bekommt. Diese Belohnung muss so schnell erfolgen, dass das Pferd auch weiß, auf welches Verhalten dieses bezogen ist.
Die positive Verstärkung hilft dem Pferd zum einen schnell zu verstehen, was es tun soll. Zum anderen fördert es die Motivation des Pferdes etwas richtig zu machen. Wie die positive Verstärkung im Selbstversuch aussieht, erzählt Dir
Lenina01.at. Wie Du hier mit Futterlob richtig umgehst um zu vermeiden, dass Dein Pferd das Betteln anfängt, erfährst Du in folgendem
Artikel.
Negative Verstärkung
Mit dem Ausdruck „negative Verstärkung“ assoziieren die meisten Menschen als erste Reaktion Strafe. Tatsächlich ist die Terminologie etwas irreführend. Schließlich bedeutet “negativ“, dass etwas schlecht ist. Und was liegt da im Bereich Pferdetraining näher, als die Strafe?
Allerdings bedeutet das Wort „Verstärkung“ auch, dass etwas unterstützt wird, wohingegen mit einer Strafe in der Regel eher ein unerwünschtes Verhalten unterbunden werden soll.
Schauen wir uns den Begriff „negativ“ jetzt noch einmal genauer an, fällt auf, dass auch hier eine Deutung aus mathematischer Sicht möglich ist: „negativ“ bedeutet hier, dass etwas unter Null liegt bzw. etwas abgezogen wird. So ist es auch bei der negativen Verstärkung:
Das bedeutet nämlich, dass Pferd durch das Wegnehmen des zuvor aufgebauten Drucks (keine Gewalt oder Schmerzen!!!) in seiner Reaktion bestätigt wird. Tolle Beispiele für diese Art des Trainings sind das Porcupine Game (Stachelschwein-Spiel) und das Driving Game (Treibspiel) nach Parelli. Hier wird nach und nach physischer bzw. rhythmischer Druck aufgebaut um das Pferd zu einer bestimmten Reaktion zu veranlassen. Sobald die gewünschte Reaktion erfolgt, wird der Druck sofort weggenommen. Das Verhalten des Pferdes wird also durch Nachlassen des Drucks in seinem Verhalten bestätigt.
Negativ bedeutet in diesem Sinne also nichts Schlechtes für das Pferd, sondern lediglich, dass die Verstärkung durch das Nachlassen der Hilfen erfolgt.
Negative Verstärkung aus der Sicht der Pferde
Wie und warum positive Verstärkung funktioniert, ist für uns Menschen leicht nachzuvollziehen. Schließlich ist ein Lob oder sonstiges positives Feedback auch für uns eine tolle Bestätigung und Motivation.
Die negative Verstärkung ist für uns nicht ganz so selbstverständlich zu verstehen. Warum diese aber für das Pferd absolut logisch und verständlich ist, wird klar, wenn wir Pferde im Umgang miteinander beobachten. Dir wird auffallen, dass sich Pferde gegenseitig nicht loben und sich schon gar nicht gegenseitig mit Futter belohnen. Positive Verstärkung gibt es bei Pferden untereinander nicht bzw. nur sehr eingeschränkt. Innerhalb einer Herde kommunizieren Pferde mit Hilfe von negativer Verstärkung miteinander. Steht z.B. ein rangniedriges Pferd am Futterplatz und ein ranghöheres Pferd möchte es dazu veranlassen ihm Platz zu machen, übt es Druck auf das rangniedrigere Pferd auf. Je nachdem wie unterschiedlich die beiden Pferde im Rang stehen und wie gut sie sich allgemein leiden können, kann dies sowohl durch Blicke und kleine Gesten, als auch durch Bisse und Tritte geschehen. Doch egal wie und auf welchem Level der Druck aufgebaut wird, eines bleibt immer gleich: Sobald das rangniedrigere Pferd Platz macht, also die gewünschte Reaktion zeigt, lässt der Druck des ranghöheren Pferdes nach und es lässt das andere Pferd in Ruhe.
Da dieses Verhalten fest in der natürlichen Kommunikation der Pferde verankert ist, ist negative Verstärkung für sie auch vollkommen logisch und leicht nachzuvollziehen.
So arbeite ich mit positiver und negativer VerstärkungWie bereits erwähnt, nutze ich bei der Arbeit mit Pferden sowohl positive, als auch negative Verstärkung: Druck und das entsprechende Nachlassen um dem Pferd überhaupt verständlich zu machen, was ich von ihm möchte und zusätzlich positive Verstärkung um die Bestätigung für eine richtige Reaktion noch zu intensivieren.
By the way: Ich habe bis heute noch nicht rausfinden können, wie Menschen die angeblich komplett ohne Druck und nur mit rein positiver Verstärkung arbeiten, ihrem Pferd klar machen, was sie überhaupt von ihm möchten. Selbst eine erhöhte Energie oder eine aufgelegte Hand bei der Bodenarbeit sowie eine feine Gewichtshilfe beim Reiten üben schon Druck aus. Dies ist kein Druck im negativen Sinne von "unter Druck setzen" oder Schmerz, aber es ist dennoch definitiv Druck, der bei einer richtigen Reaktion ja auch logischer Weise wieder nachgelassen wird.
Wenn Ihr so arbeitet oder wisst, wie das funktioniert, lasst mir gerne einen Kommentar da. Es würde mich echt interessieren :)
Bei Basics aus dem Natural Horsemanship, wie z.B. einfaches Weichen, die für Bella und mich zum alltäglichen Umgang gehören, lasse ich die positive Verstärkung mit der Zeit auch immer mal wieder weg. Bei Übungen wie z.B. Zirkuslektionen die für Pferde nicht zum normalen Verhalten dazu gehören, nutze ich die positive Verstärkung umso intensiver. Außerdem nutze ich sie gerne und viel, wenn ein Pferd vor etwas Angst hat. Hier nutzt es in der Regel wenig großen Druck aufzubauen. Dafür belohne ich hier jede Beschäftigung mit dem Gruselobjekt und jeden Schritt darauf zu mit überschwänglicher positiver Verstärkung. Mehr zu diesem Thema findest Du in meinem
Artikel zur Desensibilisierung.