Gebisslose Zäumungen
- von Svenja Stuck
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- 24 Sept., 2021
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So wirken Sidepull, Hackamore, Bosal & Co.
Ob mit oder ohne Gebiss - das ist eine Frage die häufig die Geister scheidet. Ich reite Bella gebisslos, da sie ohne Gebiss deutlich entspannter läuft als mit. Doch wie es eine Vielfalt an verschiedenen Gebissen gibt, so gibt es auch eine große Auswahl an unterschiedlichen gebisslosen Zäumungen.
Hier findet Ihr einen kleinen Überblick über die häufigsten Varianten.
Ist gebissloses Reiten sanfter als reiten mit Gebiss?
Die Frage ob reiten mit oder ohne Gebiss sanfter ist, lässt sich pauschal nicht beantworen.
Zunächst einmal zählt die Prämisse: Eine Zäumung ist nur so scharf, wie die Hand die sie führt. Ein grober Reiter mit harter Hand kann im Zweifelsfall selbst mit einem Stallhalfter mehr Schaden anrichten als ein feiner Reiter mit ruhiger, sanfter Hand mit einer Kandarre.
Sidepull
Das Sidepull gehört zu den eher sanften gebisslosen Zäumungen und ist daher auch gut für Einsteiger im Bereich gebissloses Reiten geeignet. Es ist ähnlich aufgebaut wie ein Halfter, die Zügel werden an Ringen die seitlich am Nasenstück angebracht. Je nach Ausführung kann das Nasenstück aus Leder, Rohhaut oder geflochtenen Bändern bestehen. Hierbei gilt, je dünner und fester das Material, desto schärfer die Einwirkung.
Das Sidepull wirkt seitlich auf die Pferdenase ein, so dass es gut zur Unterstützung der Lenkung eingesetzt werden kann. Für Pferde, die sich eher schwierig bremsen lassen und in diesem Fall auch mal gegen die Zügel gehen, ist das Sidepull eher nicht empfehlenswert, da hier kaum eine entsprechende Einwirkung möglich ist.
In der Handhabung ist das Sidepull mit einer Trense vergleichbar.
Knotenhalfter / Natural Hackamore
Beim Reiten mit Knotenhalfter bzw. Natural Hackamore werden die Zügel am unteren Knoten unter dem Kinn des Pferdes befestigt. Somit ist die seitliche Einwirkung der Zäumung eingeschränkt. Die größte Einwirkung geschieht auf dem Nasenrücken, doch auch auf das Genick und die Ganaschen findet eine Einwirkung statt. Durch das dünne Material der Knotenhalfter ist diese Zäumung relativ scharf.
Kappzaum
Obwohl das Kappzaum hauptsächlich in der Bodenarbeit, wie beim Arbeiten an der Hand oder dem Longieren, zu finden ist, kann es auch beim Reiten als Zäumung eingesetzt werden. Die Zügel werden hierfür in den beiden etwas seitlich gelegenen Ringen eingeschnallt. So wirkt die Hilfengebung seitlich von oben auf den Nasenrücken des Pferdes. Da das Kappzaum je nach Machart eine sehr scharfe Einwirkung haben kann, ist das Reiten mit dieser Zäumung nicht für Anfänger geeignet.
Bitles Bridle / Crossover Bitless Bridle
Das Bitless Bridle ist ähnlich aufgebaur wie ein Sidepull, hat aber zusätzlich noch an jeder Seite einen Riemen der vom Genickstück schräg unter dem Pferdekopf hindurchgeführt wird. Diese Riemen laufen dann durch Ringe die seitlich am Nasenriemen sitzen. Die Zügel werden am Ende der Riemen eingeschnallt. Da sich die Riemen unter dem Kiefer des Pferdes kreuzen wird auch die Bezeichnung Crossover Bitless Bridle verwendet.
Durch die zusätzlichen Riemen wird die seitliche Einwirkung eines normalen Sidepulls beim Bitless Bridle verstärkt. Diese Zäumung wirkt nicht nur auf den Nasenrücken, sondern auch auf den Kiefer, die Ganaschen und das Genick. Durch den recht komplizierten Mechanismus und die vielen Einwirkungspunkte des Crossover Bitless Bridle kommen Hilfen allerdings nur vergleichsweise undeutlich und auch verzögert beim Pferd an.
Glücksrad / LG-Zaum
Wie scharf die Wirkung des Glücksrads ist, kommt darauf an, wo die Zügel im Rad verschnallt werden. Je größer die Drehung des Rades, desto schärfer die Einwirkung. Durch die Hebelwirkung können hier in scharfer Verschnallung auch bei leichtem Zug enorme Kräfte entstehen. Diese gehört daher nur in erfahrene Reiterhände und darf keinesfalls unterschätzt werden.
Zwischen den beiden Rädern wird je ein Lederriemen über die Nase und unter dem Kinn des Pferdes verschnallt. Dadurch, dass sich das Glücksrad bei Zug auf dem Zügel komplett dreht, wirkt es auf alle Riemen, die mit ihm Verbunden sind aus, so dass die Einwirkung auf die Nase, das Kinn und das Genick des Pferdes stattfindet.
Mechanische Hackamore
Ein mechanisches Hackamore sieht nicht nur ähnlich aus wie eine Kandarre, auch die Wirkung ist vergleichbar. Auch hier gilt: je länger die Anzüge, desto schärfer die Einwirkung, die bei dieser Zäumung auf der Nase, im Genick und auf das Kinn stattfindet. Klassisch wird das mechanische Hackamore einhändig geritten.
Da das Hackamore durch die Anzüge eher nach untern bzw. hinten wirkt, ist eine seitliche Einwirkung kaum möglich, wordurch ein Stellen und Bieden des Pferdes erschwert wird. Durch die enorme Hebelwirkung gehört es, ebenfalls wie die Kandarre, nur in sehr erfahrene und feinfühlige Hände.
Bosal
Das Bosal stammt aus der kalifornischen Westernreiterei. Hier fungiert es nicht als dauerhafte Zäumung, sondern wird als Ausbildungszaum für Jungpferde eingesetzt. Das klassisch aus Rohhaut bestehende Nasenteil besteht aus einem einzigen festen Stück. Das Bosal wirkt hauptsächlich auf den Nasenrücken, teilweise aber auch auf die seitliche Nasen- und Kinnpartie des Pferde. Die Zügel werden an der Unterseite befestigt, so dass kaum eine seitliche Einwirkung möglich ist.
Je nach Material, Härte und Dicke des Bosals kann die Einwirkung von sanft bis sehr scharf reichen. Da sich diese Zäumung in ihrer Wirkung und Handhabung stark von den meisten anderen Zäumungen unterscheidet, sollte es nur nach einer Einweisung durch einen erfahrenen Reiter verwendet werden um dem Pferd keinen unbeabsichtigten Schaden zu zu fügen.
Halsring
Der Halsring ist zwar keine Zäumung im klassischen Sinne, stellt aber trotzdem eine gebisslose Alternative zu Trense und Co. dar. Je nach Material des Rings kann die Intensität und Genauigkeit der Einwirkung variieren, wobei eine wirklich diferenzierte Hilfen hier nicht möglich sind. Beim Reiten mit Halsring bleibt der Kopf des Pferdes frei, hier findet keine Einwirkung statt. Der Halsring wirkt, wie der Name schon sagt, am Hals des Pferdes und auch an der Brust kann eine Einwirkung stattfinden. Da der Hals- und Brustbereich des Pferdes deutlich weniger empfindlich ist, als der Kopf, gehört der Halsring zu den eher sanften Zäumungen.
Kombinierte Zäumungen
Mittlerweile werden auch viele Zäumungen angeboten, die verschiedene andere Zäumungen mit einander kombinieren. So gibt es z.B. das Balancio, mit dem ich sehr gerne reite, das die Funktionen eines Kappzaums mit einem Sidepull und einem kolumbianischen Bosal verbindet. Andere Zäumungen kombinieren auch eine gebisslose Zäumung mit der Möglichkeit ein Gebiss einzuschnallen, wie z.B. ein Kappzaum oder Sidepull mit extra Riemen in die eine Wassertrense eingeschnallt werden kann. Solche Kombinationen sind eine gute Einstiegsmöglichkeit, wenn ein Pferd vom Reiten mit Gebiss an das gebisslose Reiten herangeführt werden soll.
Reitest Du auch gebisslos oder mit und ohne Gebiss? Welche Zäumungen nutzt Du und wie sind Deine Erfahrungen? Ich freue mich über Deine Meinung in den Kommentaren :)