Die meisten Reiter gehen davon aus, dass es selbstverständlich ist, dass sich ein Pferd anbinden lässt. Wurde das Pferd von klein auf angebunden, ist es in der Regel auch kein großes Problem. Was aber, wenn das nicht der Fall ist und ein Pferd es gar nicht kennt angebunden zu sein?
So ging es mir mit Bella. Mit ihren damals viereinhalb Jahren war sie noch nie angebunden gewesen und fand die Idee irgendwo fest zu sein und nicht weg zu kommen gar nicht lustig. Nachdem sie diverse Stricke, Haken, Halfter und einmal sogar einen kompletten Anbindebalken zerstört hatte, ist mir dann auch irgendwann klar geworden, dass sie es nicht einfach so lernt, wenn ich sie immer wieder anbinde. Doch wie ist es möglich einem Tier, dass die Kraft hat sich überall loszureißen beibringen, sich trotzdem anbinden zu lassen und das Angebundensein zu akzeptieren? Bella hat es folgendermaßen gelernt:
1. Frei stehenDie Grundvoraussetzung, dass das Pferd angebunden stehen bleibt ist, dass es überhaupt versteht, dass es stehenbleiben soll. Da wir oft keine Anbindemöglichkeiten hatten, kannte Bella das bereits und ich musste das freie Stehen nur noch mal festigen. Wie Du Deinem Pferd bei bringst frei zu stehen, erfährst Du unter
#HowTo - Frei
stehen.
2. Auf Druck im Genick nachgeben
Um sicher angebunden werden zu können, muss das Pferd lernen sich im angebundenen Zustand nicht mit aller Kraft in das Halfter hineinzulegen und so Halfter, Strick oder Anbindebalken zu zerstören. Hierfür muss es zunächst verstehen, dass es auf Druck im Genick nachgeben und nicht mit Gegendruck reagieren soll. Hier ist es von Vorteil, wenn Dein Pferd dieses Prinzip z.B. aus den 7 Spielen nach Parelli bereits kennt.
Aber auch, wenn das nicht der Fall ist, verstehen Pferde das Prinzip in der Regel ziemlich schnell:
Lege Deinem Pferd die Hand in den Nacken, kurz hinter die Ohren, so dass der Daumen auf der einen Seite und die restlichen Finger auf der anderen Seite des Pferdehalses anliegen. Ziel ist es, dass Dein Pferd auf diese kleine Berührung den Kopf absenkt. Am Anfang reichen auch wenige cm. Sobald Dein Pferd wie gewünscht reagiert, nimm die Hand weg und lobe es ausgiebig. Zeigt Dein Pferd keine Reaktion kannst Du langsam den Druck den Du mit Deiner Hand ausübst erhöhen. Achte hierbei darauf den Druck immer nur in kleinen Intervallen zu steigern und ihn für einen gewissen Zeitraum, z.B. 15 Sekunden, gleich zu halten. So gibst Du Deinem Pferd die Chance über die Situation nachzudenken und darauf zu reagieren.
Sucht Dein Pferd einen Lösungsweg, versucht es aber zunächst auf andere Weise als den Kopf abzusenken, hältst Du den Druck konstant, steigerst ihn aber nicht weiter. So zeigst Du ihm, dass dies nicht die gewünschte Reaktion ist, bestrafst es aber auch nicht für seinen Lösungsversuch mit größerem Druck. Auch hier gilt: sobald Dein Pferd die gewünschte Reaktion zeigt, nimmst Du sofort jeglichen Druck weg und lobst es ausgiebig. Belohne jeden Ansatz, der in die richtige Richtung geht, auch wenn das Absenken vielleicht noch nicht zu 100 Prozent richtig ausgeführt wurde. So wird Dein Pferd schnell verstehen, was Du von ihm möchtest und schon bald auf das kleinste Zeichen den Kopf senken. Wenn Du möchtest, kannst Du das Ganze auch mit einem Stimmkommando verbinden. So kannst Du Absenken des Kopfes auch zum leichteren Aufhalftern benutzen.
3. Dem Halfter nachgeben
Die gleiche Übung wiederholst Du nun mit dem Halfter anstelle Deiner Hand. So lernt Dein Pferd dem Druck des Halfters im Nacken nach vorne abwärts nachzugeben anstatt sich dagegen zu stemmen. Aber Vorsicht beim Üben – mit dem Halfter erzeugst Du schneller einen größeren Druck als mit der Hand!
4. Wickeln statt knoten
Wenn Dein Pferd freistehen kann und weiß, dass es Druck im Genick nachgeben soll, kannst Du mit den ersten Übungen in Richtung anbinden beginnen. Trotzdem solltest Du Dein Pferd auch jetzt noch nicht gleich fest anbinden. Es kann immer noch sein, dass es sich in der ungewohnten Situation unwohl fühlt und in sein altes Verhaltensmuster zurück fällt.
Die Alternative zum festen Anbinden ist, den Strick oder das Leadrope mehrfach um einen Balken zu wickeln. So ist ein gewisser Halt gegeben, wenn das Pferd mal kurz zieht. Sollte das Pferd aber in Panik geraten oder sich dauerhaft ins Halfter legen, lösen sich die Schlingen, wenn der Zug größer wird. Bei dieser Methode gilt: je mehr Schlingen, desto stärker muss das Pferd ziehen, damit es sich löst. Achtung, bei einer bestimmten Anzahl Schlingen, löst sich das Seil kaum noch.
Zusätzlich zum Umwickeln des Balkens oder wenn Du für den Anfang vielleicht nur mit einer Schlinge arbeiten möchtest, kannst Du das Seil zusätzlich noch am anderen Ende fest halten.
Bleibt das Pferd stehen bzw. gibt auf den Druck des Halfters richtig nach sollte die Übung gerade am Anfang direkt beendet werden. Die Intervalle des „Angebundenseins“ können dann nach und nach gesteigert werden.
Was, wenn das Pferd zwar frei stehen kann und im Genick nachgibt, sich beim Anbinden aber dennoch losreißt?
In einer solchen Situation, kannst Du versuchen dem Pferd zusätzlich zum Druck im Genick einen Impuls von hinten zu geben um ihm zu verdeutlichen, dass es nach vorne weichen soll. Hier arbeitest Du am besten mit einem Helfer. Einer von Euch bleibt vorne beim Pferd um im Fall der Fälle den Strick lösen zu können. Die zweite Person stellt sich im sicheren Abstand seitlich hinter das Pferd und gibt z.B. mit dem Carrotstick einen Impuls von hinten. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass das Pferd auch hier bereits auf rhythmischen Druck weicht.
Ich bemühe mich hier immer das Pferd nicht mit dem Carrotstick zu berühren um die Situation für das Pferd nicht noch unangenehmer zu machen. Sollte es auf rhythmischen Druck aber gar nicht reagieren und Du bist der Meinung eine Berührung könnte helfen, sollte diese nicht über ein leichtes Touchieren hinausgehen.
Für die Übergangsphase kannst Du auch einen Sicherungsmechanismus, wie einen speziellen Haken verwenden.